Atembeschwerden
Wie haben deutsche Wähler die Pandemie erlebt? Was denken sie über die aktuelle Regierung? Und was erhoffen sie sich von der künftigen? Folge 1 der Serie «Deutschland hat die Wahl».
von Eser Aktay, Anina Ritscher (Text) und Verena Müller (Bild)
Das Adrenalin schoss durch Julia Heussers Körper, das Herz schlug der Krankenpflegerin unter dem dicken Schutzanzug bis zum Hals, damals im Dezember 2020. Nachtschicht auf der Corona-Intensivstation. Überall Patientinnen in Atemnot. Wie am Fliessband legte sie Katheter, setzte sie Atemmasken auf, schob sie Betten durch den Krankenhausflur. Heusser stand ganz vorne, als die zweite Corona-Welle auf das Gesundheitssystem prallte.
Etwa zur selben Zeit erreichte Dirk Lederle eine Nachricht: Die Schulen müssen landesweit schliessen – zum zweiten Mal. Für den Schulleiter bedeutete das: Eltern informieren, Notbetreuungen organisieren und Fernunterricht vorbereiten. Schon seit März 2020 mussten Lederle und seine Kolleginnen Tag für Tag die Beschlüsse der Regierung umsetzen und verteidigen: vom Wechsel- über den Hybrid- bis zum Fernunterricht. Lederle war auf alles vorbereitet.
Dejan Trandafirovic sass im Winter 2020 zu Hause. Filme schauen und spazieren gehen, das war alles, was der 23-Jährige tun konnte. Seinen Ausbildungsplatz hatte er verloren, wegen des fehlenden Einkommens wohnte er wieder bei den Eltern. Trandafirovic, der schon immer ein aktiver und politisch denkender Mensch war, kämpfte mit einer Depression.
Drei Menschen, drei Schicksale, drei Orte in Baden-Württemberg im Winter 2020, als Deutschland zum zweiten Mal in einen bundesweiten Lockdown ging – er sollte dunkler, länger, kälter werden als der erste.
Jetzt, acht Monate später, stehen die Wahlen des neuen Bundestags bevor. Zum ersten Mal seit der Gründung der Bundesrepublik ist bereits sicher, dass die neue Kanzlerin nicht mehr die alte sein wird. Angela Merkel tritt ab, nach 16 Jahren im Amt.
Wie blicken Menschen, die unmittelbar von den politischen Entscheidungen während der Pandemie betroffen sind, auf diese Wahl? Wie haben sie die Corona-Politik erlebt? Was wünschen sie sich von der künftigen Regierung?
In der ersten Folge dieser Serie treffen wir den Schulleiter Dirk Lederle, den Aktivisten Dejan Trandafirovic und die Pflegerin Julia Heusser, die aus Angst vor einer Rüge ihres Arbeitgebers weder ihren richtigen Namen noch ihren Wohnort in dieser Serie sehen will. Wir wollen von ihnen wissen: Wie haben sich die Corona-Massnahmen auf Sie ausgewirkt? Fühlen Sie sich von der Politik im Stich gelassen?
«Die Politik hat uns schon vor Corona im Stich gelassen»
In Heidelberg läuft Dejan Trandafirovic an einem Nachmittag im Juli auf der Neckarwiese auf und ab. Der Lautsprecher muss getestet, ein Tisch bereitgestellt, die Rede geübt werden. Trandafirovic schiebt sich schnell ein paar Gabeln Gnocchi in den Mund, dann bespricht er letzte Details mit den Rednern. Um 17 Uhr soll die Kundgebung unter dem Motto «Gegen Alkoholverbot und Ausgangssperre auf der Neckarwiese» losgehen.
Die Neckarwiese ist eine lange grüne Ebene, die sich den Fluss entlang erstreckt. Von hier aus schweift der Blick übers Wasser, über die Stadt und hoch zum Hausberg Königstuhl. Der Park ist der wichtigste Treffpunkt für junge Menschen aus der Stadt und den umliegenden Dörfern.
Jetzt, kurz vor der Kundgebung, ist es hier friedlich. Junge Menschen sitzen im Gras, trinken, werfen Frisbees. Doch seit Wochen berichten Medien überregional von «Krawallen» und «Ausschreitungen» auf der Neckarwiese. Insbesondere an den Wochenenden hatten Jugendliche überdreht. Mal wurde ein Pavillon beschädigt, mal wurden Pyros gezündet.
Die grüne Stadtregierung sperrte den Park daraufhin kurzerhand – und schickte an den Wochenenden Polizistinnen in Autos und auf Pferden über die Wiese, um die Feiernden nach Mitternacht des Platzes zu verweisen. Ausserdem darf nachts kein Alkohol getrunken werden.
Als dann der grüne Leiter des Dezernats für Kultur und Kreativwirtschaft auch noch behauptete, es sei doch klar, dass die Randalierer «zu 99 Prozent Deutsche mit Migrationshintergrund» seien, platzte Trandafirovic der Kragen. Er wollte etwas tun. Darum versammelt er heute rund 80 Personen zum Protest. Trandafirovic findet: «Jugendliche wurden in der Pandemie vergessen.» Es sei absurd, dass die Heidelberger Innenstadt, die Kneipen und Cafés abends überlaufen – aber das kostengünstigere und pandemieverträglichere Feiern mit Supermarktbier unter freiem Himmel verboten sei.
Trandafirovic kämpft in mehr als einer Hinsicht um ein Stück Normalität. Anfang 2020 wurde bei ihm eine schwere Depression diagnostiziert. Der Lockdown machte eine Therapie fast unmöglich. Wegen der vielen Krankschreibungen verlor er seinen Ausbildungsplatz, zurück bei seinen Eltern arbeitete er im Homeoffice für ein Callcenter.
Die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit diagnostizierter psychischer Erkrankung hat während der Corona-Pandemie in ganz Deutschland zugenommen. Das erlebt auch Dirk Lederle, Leiter der Johanniterschule in Heitersheim. Er sitzt in einem dunkelblauen Fred-Perry-Shirt und beigen Sneakers an seinem Schreibtisch, die Haare sorgfältig nach hinten gekämmt. Vor seinem Bürofenster spielen Schulkinder, werfen sich Bälle zu, tauschen Pausenbrote. Es war ein langer Weg, bis das wieder möglich war.
Für seine Schülerinnen war die Pandemiezeit eine Zerreissprobe. Insbesondere was ihre sozialen Fähigkeiten anbelange, seien viele um Jahre zurückgeworfen, sagt Lederle. «Man merkt, wenn man vor einer Klasse steht, dass da Spannungen sind, dass sich die Kinder im sozialen Gefüge der Klasse neu zurechtfinden müssen.»
Lederle ist erschöpft. Zweimal waren die Schulen in ganz Deutschland während Monaten komplett geschlossen: einmal im Frühjahr 2020 und ein zweites Mal im Winter. Seit der bundesweiten «Notbremseregelung», die seit diesem März gilt, müssen Schulen ihren Betrieb anpassen, je nach Inzidenz in ihrem Landkreis. Das Resultat sind Chaos und Unsicherheit: Die Schulleitungen müssen sich darauf vorbereiten, jeden Moment vom Präsenzunterricht zum Wechselunterricht zum Fernunterricht umzuschalten. Im Juli waren die Inzidenzen so niedrig, dass überall Präsenzunterricht möglich war. Doch niemand weiss, was nach den Sommerferien ist. Lederle und seine Kolleginnen sind ausgebrannt. «Wir können nicht mehr», sagt er.
Zugesetzt haben Lederle nicht nur die vielen Planungsstunden. Er musste auch wahnsinnig viel erklären: Über 400 Mitteilungen hat er an Schüler, Lehrerinnen und Eltern geschrieben, um über die jeweils geltenden Verordnungen zu informieren. «Es gab Eltern, die kreuz und quer denken», sagt er. Ein Elternpaar tat das laut, und zwar in seinem Büro. Er quäle mit der Maskenpflicht kleine Kinder, warfen sie ihm vor. Daneben stand ihr Sohn, Schüler einer Grundschulklasse, der inmitten des Streits in Tränen ausbrach. Es folgten Anwaltsschreiben.
In solchen Momenten fühlte sich Lederle alleingelassen, auch vom damals CDU-geführten Kultusministerium des Landes, das für die Schulen zuständig ist. Dieses machte im Winter 2021 bundesweit Schlagzeilen, als es verkündete, mitten in der zweiten Welle und entgegen den Empfehlungen der Bundesregierung die Schulen öffnen zu wollen – die Notbremse machte dem Ministerium einen Strich durch diese Rechnung.
In Baden-Württemberg fehlen mehr als 200 Rektorinnen, insbesondere an allgemeinbildenden Schulen wie der von Dirk Lederle. Laut der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) haben Schulleitungen zu wenig Zeit für Managementaufgaben, ein Problem, das sich in der Pandemie noch mal verschärft habe. Lederle sagt, dass viele Kolleginnen wegen der zusätzlichen Belastung die Leitung abgeben wollen. Er schätzt, dass sich die Anzahl der unbesetzten Schulleitungspositionen nach der Pandemie verdoppeln wird. Er will seine Stelle behalten: «Ich habe zu viel und zu hart dafür gearbeitet, um jetzt aufzugeben.» Er lacht. «Und eigentlich macht mir mein Job wahnsinnig Spass, wenn ich mal dazu komme!»
In der Pflege war das Personal schon vor Corona knapp. Viele ihrer Kolleginnen und Kollegen würden den Job nach wenigen Jahren hinschmeissen, erzählt Julia Heusser. An einem heissen Julitag, sieben Monate nach ihrer ersten Schicht auf der Corona-Intensivstation, sitzt sie auf dem Balkon ihrer Wohnung zwischen Blumenkästen und Tomatenpflanzen. Sie hält ein Holzspielzeug ihres kleinen Kindes in den Händen, als sie sagt: «Die Politik hat uns schon vor Corona im Stich gelassen.»
Ihrer Meinung nach liegt der Personalmangel nicht nur an der schlechten Bezahlung, sondern vor allem an den Bedingungen: immer mehr Patientinnen pro Pflegekraft, grössere Verantwortung, immenser Druck. Krankenhaus nach Krankenhaus wird privatisiert, und seit Jahren folgt im Gesundheitssektor Sparrunde auf Sparrunde. Letztes Jahr fand sich für über 2000 Pflegestellen in Baden-Württemberg kein qualifiziertes Personal. Und es wird schlimmer: Das Statistische Landesamt geht davon aus, dass die Anzahl der Pflegebedürftigen im von CDU und Grünen in einer Koalition regierten Bundesland bis 2050 um 93 Prozent steigen wird.
Heusser arbeitet eigentlich als Fachpflegekraft auf einer Spezialstation. Sie liebt ihren Job, ist engagiert, bleibt auch mal länger. Sie ist eine von denen, die den Laden zusammenhalten. Wo es einen Personalmangel gibt, wird mit Leuten aus dem Ausland aufgestockt. Diese sind zwar gut ausgebildet, verstehen aber oft nicht einwandfrei Deutsch. Deswegen berät Heusser sie in ihrem Arbeitsalltag, kontrolliert ihre Medikamentenlisten, steht für Fragen zur Verfügung. So wird ihr Tag noch voller, der Druck noch höher.
Ab und an, wenn sie noch Energie hat, setzt sie sich nach ihrer Schicht zu einem Patienten ans Bett. Aber sie hat nicht für alle Zeit.
Corona brachte die Pflegekräfte überall an den Anschlag. Während der zweiten Pandemiewelle wechselte Heusser für drei Monate von ihrer Abteilung auf die Corona-Intensivstation, um ihre Kolleginnen dort zu unterstützen. «Meine Chefin sagte mir am Telefon, dass ich auf die Corona-Station muss. Ich legte den Hörer auf und begann zu weinen.» Sie wollte nicht wechseln, gegen den Entscheid der Krankenhausleitung wehrte sie sich aber vergeblich.
«Nach den ersten fünf Minuten auf der Corona-Station habe ich gedacht: Ich kann das nicht! Ich pack das nicht! Ich will hier weg!», erzählt die Pflegerin. Doch sie blieb. Obwohl damals die Existenz ihrer Familie am Auseinanderfallen war. «Ich weiss heute nicht, wie ich das alles geschafft habe», sagt sie.
«Der Frust hat sich aufgestaut»
Auf der Kundgebung in Heidelberg ist jetzt Dejan Trandafirovic an der Reihe mit seiner Rede: «Wir sind die Generation Krise», sagt er. Er zählt auf, was seine Generation schon alles miterleben musste: Eurokrise, Ukrainekrieg, Bürgerkrieg in Syrien, Klimakrise. «Wir als Generation sind jetzt schon müde.» Er fordert die Zuhörerinnen dazu auf, sich nicht nur gegen das Aufenthaltsverbot auf der Neckarwiese zu wehren, sondern auch gegen Umweltzerstörung und soziale Ungerechtigkeit.
Seit er denken kann, ist Trandafirovic politisch aktiv. Die Pandemiepolitik in Deutschland macht ihn wütend: «Die Regierung hat die Wirtschaft über das Wohlergehen von Menschen gestellt. Sie ist dafür verantwortlich, dass 90’000 Menschen starben.» Ihn wundert, dass nicht viel mehr Leute ob dieser Politik durchgedreht sind. Von den «Querdenkern» ist er weit entfernt, er protestierte sogar gegen deren Aufmärsche. Er findet aber, insbesondere junge Menschen seien vergessen gegangen: «Jugendliche haben aus Solidarität das Ganze monatelang mitgetragen. Doch auch die merken, dass auf ihre Bedürfnisse jetzt nicht eingegangen wird.» Das Resultat sehe man auf der Neckarwiese: «Der Frust hat sich aufgestaut.»
Nicht nur in Heidelberg. Auch in München, in Stuttgart, in Augsburg und in Hamburg gab es Ausschreitungen von Jugendlichen.
Trandafirovic berät seine Mutter in Fragen des Arbeitnehmerrechts. Als Jugendlicher ging er gegen Nazis auf die Strasse. Heute organisiert er die Protestkundgebung auf der Neckarwiese. Wählen darf er aber nicht. Er hat keinen deutschen Pass. Damit ist er nicht allein: In Deutschland leben ungefähr 8 Millionen Erwachsene, die die Zukunft des Landes nicht per Wahlzettel mitgestalten dürfen.
Als er ein Jahr alt war, hatten Trandafirovics Eltern die Wahl: Soll er den deutschen Pass bekommen – oder den serbischen behalten? «Mein Vater sagte: Mein Sohn wird kein Deutscher.» Zu dieser Zeit, 1999, flogen gerade deutsche Kriegsflugzeuge über Serbien. Und so ist Trandafirovic bis heute Serbe geblieben, obwohl er in Ulm geboren und in der Nähe von Karlsruhe aufgewachsen ist.
Nach der Kundgebung gibt Trandafirovic ein Fernsehinterview und spricht mit zwei Anwohnern der Neckarwiese. Dann geht er weiter zur nächsten Demo. Es geht um Polizeipräsenz in der Innenstadt.
Wie es in ihrer Innenstadt ausschaut, hat Julia Heusser in den letzten Monaten selten mitbekommen. Während sie im Krankenhaus schuftete, kämpft ihr Mann darum, seinen kleinen Gastrobetrieb am Laufen zu halten. «Unser Lokal war unser erstes Kind», sie lacht kurz, verdrückt eine Träne.
Wie viele andere Gastronomen musste ihr Mann das Lokal in der ersten Corona-Welle 2020 vorübergehend schliessen. Er blieb mit dem Kind zu Hause. Sie stockte die Stunden im Krankenhaus auf, um die fehlenden Einnahmen auszugleichen. Im Sommer konnte das Lokal kurz öffnen, nur um im Herbst wieder schliessen zu müssen.
«Wie lange wird es so weitergehen?», fragten sich die Heussers. Sie baten den Vermieter, ihnen mit der Miete für die Räumlichkeiten entgegenzukommen. Er lehnte ab. Irgendwann hielten sie den Schwebezustand nicht mehr aus und beschlossen, das Lokal aufzugeben. «Ich habe öfters geheult im Laden, beim Packen, beim Raustragen der Kaffeemaschine», sagt Heusser. Sie seufzt. Das Vintageradio aus dem Laden steht jetzt in der Wohnküche, ein paar Kaffeeröster auf einem Küchenschrank über dem Herd.
Auch Dirk Lederles Privatleben litt während der Pandemie. Er konnte kaum für seine Kinder da sein. «Sie hätten mich gern mehr gehabt», sagt er. «Sie haben darunter gelitten, wenig Papa und wenn Papa, dann …» Lederle stockt. Seine Schultern hängen, er hebt beide Arme in die Luft, lässt sie fallen. Dann wirft er einen kurzen Blick aus dem Fenster. Für einen Moment wirkt der gross gewachsene Mann klein auf dem Stuhl vor dem weissen Schreibtisch.
«Oft bleibt dann doch alles gleich»
Von der Bundestagswahl erhofft sich Lederle künftig einen stärkeren Fokus auf das Thema Ökologie. Seit März fährt er einen E-Wagen. Er findet aber, dass Annalena Baerbock als erste Kanzlerkandidatin der Grünen ein zu hohes Tempo anschlägt. «Die Corona-Situation, die Post-Corona-Situation und die ökologische Revolution gleichzeitig anzuzetteln, das ist ein bisschen viel auf einmal.»
Ausserdem sei die 40-Jährige zu jung. Es brauche zwar Menschen in der Politik, die Gas geben, in die Zukunft weisen. Aber es brauche eben immer auch jene, die Ruhe bewahren, sagt Lederle und macht eine besänftigende Handbewegung. Daher sei er für die Verbindung von progressiven und konservativen Kräften, wie es die grün-schwarze Regierung in Baden-Württemberg vormache.
Dirk Lederle ist alles in allem zufrieden mit der Art und Weise, wie die Regierung die Pandemie bisher meisterte. «Die Situation war für uns alle neu.» Die Bundesregierung habe immerhin das Gefühl vermittelt, dass es weitergehe. Auf Lederles Schreibtisch steht eine «original Merkel-Glocke», wie er stolz erzählt. Mit dieser Glocke kann die Kanzlerin ihr Kabinett zur Ordnung rufen. Sie ist ein Geschenk eines Kollegen aus Berlin. Wen er wählen wird, möchte Lederle nicht sagen. So viel aber verrät er: «Meine Ehefrau ist CDU-Mitglied.»
Dürfte Trandafirovic wählen, würde er einen leeren Wahlzettel abgeben: «Von der Wahl fernbleiben fände ich schwierig, weil es wichtig ist, den Prozess zu legitimieren. Aber ich könnte ohne grosse Kompromisse keine Partei wählen und mich damit wohlfühlen.» Für die Anliegen junger Menschen setzt sich seiner Ansicht nach aber vor allem die Linkspartei ein.
Das Aufenthaltsverbot auf der Neckarwiese wurde mittlerweile aufgehoben. Trandafirovic bleibt aber politisch aktiv: Etwa in der Kampagne «Zero Covid», die sich für einen solidarischen Shutdown einsetzt, mit dem Ziel, die Infektionszahlen auf null zu bringen.
Julia Heusser weiss noch nicht, wen sie am 26. September wählen will, aber «auf gar keinen Fall die CDU, die AfD oder die FDP. Grosse Hoffnungen macht sie sich nicht mehr. In der ersten Corona-Welle, als es noch Beifall von Balkonen gab, hatte sie kurz gedacht, dass sich jetzt wirklich etwas verändern würde. Doch es passierte nichts. Ansätze, die ihre Situation verbessern könnten, sieht sie bei der SPD, den Grünen oder den Linken: «Die sagen, dass sich etwas in der Pflege ändern muss, aber oft bleibt dann doch alles gleich.»
Unten im Garten spielt Heussers Mann mit dem Kind. Er hat heute eine Stelle im Supermarkt. Heusser selbst arbeitet nicht mehr auf der Corona-Station, zumindest vorerst. Sie ist sich sicher: «Unser Lokal war der Preis dafür, dass damals überhaupt irgendwas funktioniert hat.» Ob sie einen neuen Gastrobetrieb aufmachen wollen, wissen sie noch nicht. Ein paar Dinge, die im Lokal waren, haben sie in einen Karton gepackt und im Schuppen verstaut.
Sie nennen sie «die Kiste der Hoffnung».