Sudan: Unfreiwillige Helfer

von Anna-Theresa Bachmann

erschienen am am 01. Oktober 2023 bei ZEIT Online

Im Sudan tobt ein brutaler Machtkampf zwischen der Regierung und der Miliz RSF. Zum Aufstieg der Miliz hat Europa beigetragen – auch aus Deutschland kam Geld.

Für die Einwohner der sudanesischen Hauptstadt Khartum scheint der 15. April 2023 ein ganz normaler Samstag zu werden. So auch für Dutzende Deutsche, die in dem nordostafrikanischen Land leben und arbeiten. Am Morgen, der mitten im Fastenmonat Ramadan besonders ruhig ist, liegen einige von ihnen noch in ihren Betten. Andere bringen ihr Kind gerade zum Sportunterricht oder verabreden, ehe die Hitze bei mehr als 40 Grad unerträglich wird, ein Playdate für ihren Hund. So erzählen sie es später in deutschen Medien und der tagesschau.

Doch gegen neun Uhr ist es mit der Ruhe vorbei: Auf den Straßen krachen Schüsse, bald steigt dunkler Rauch über der Nil-Metropole auf. Das, was bei vielen Sudanesen und westlichen Diplomaten als Worst-Case-Szenario galt, ist zur Realität geworden: Der Machtkampf zwischen dem sudanesischen Militär und der Miliz Rapid Support Forces (RSF) ist eskaliert. Von nun an herrscht Krieg im Land.

Verfolgte die Welt zunächst noch gebannt, wie allein die Bundeswehr mit ihren Maschinen rund 800 Menschen in Sicherheit brachte, scheint der Krieg heute, knapp ein halbes Jahr nach den Evakuierungen, weitgehend vergessen. Dabei ist die Lage im Sudan dramatisch: Mehr als vier Millionen der insgesamt 46 Millionen Einwohner mussten laut den Vereinten Nationen vor den Kämpfen in ruhigere Landesteile fliehen, mehr als eine Million hat bislang Schutz in den Nachbarländern gesucht. Internationale Organisationen warnen vor einer Hungerkrise. Vor allem über die RSF mehren sich Berichte, in denen von Plünderungen und Vergewaltigungen die Rede ist, und von ethnisch motivierten Angriffen in der Konfliktregion Darfur.

Der Krieg im Sudan – er markiert das jüngste Kapitel im Aufstieg der RSF und ihrem Anführer Mohamed Hamdan Daglo, genannt Hemedti. Binnen eines Jahrzehnts nach der Gründung seiner Miliz ist es dem ehemaligen Schulabbrecher und Kamelhändler aus der Peripherie gelungen, zu einer politischen und wirtschaftlichen Größe im Sudan zu avancieren. 

Eine gemeinsame Recherche von ZEIT ONLINE, Sveriges Radio, De Groene Amsterdammer, NZZ am Sonntag und Vårt Land  zeigt nun anhand von Dokumenten und Aussagen von Informanten, dass auch Europa zu diesem Aufstieg beigetragen hat – über eine Sicherheitsfirma, die zur Schattenwirtschaft der Miliz gehört und bis zum Kriegsausbruch und teils darüber hinaus zahlreiche Gebäude europäischer Botschaften, Hilfs- und Entwicklungsorganisationen bewacht hat. Auch im Auftrag der Deutschen Botschaft und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ).

I – Das Netzwerk

Mitte Juni 2021 bekommen die Kunden der privaten Sicherheitsfirma More Secure Co. Ltd im Sudan Post von einem Mann namens Ted Heathfield. Der Brite mit "mehr als 30 Jahren weltweiter Militär- und Sicherheitsexpertise" stellt sich ihnen als neuer Geschäftsführer vor. Zu den Auftraggebern von More Secure gehören da bereits die Hilfsorganisation Save The Children sowie die norwegische und schwedische Botschaft im Sudan. Für die Deutschen schützen die Wächter der Firma mit ihren grauen Hemden seit Ende 2020 einen Wohnkomplex für Botschaftsangestellte, der an die Kanzlei der Auslandsvertretung angrenzt.

Nicht nur werden die Wächter künftig blaue statt grauer Uniformen tragen, kündigt Heathfield in dem Schreiben an. Es werde auch andere Veränderungen geben: Die ganze Firma solle umstrukturiert werden und einen neuen Namen bekommen: Shield Protective Solutions Co. Ltd. Offenbar in Anlehnung an Shield Security Services Ltd, ein Sicherheitsunternehmen eine Autostunde südwestlich von London entfernt, das seit den Achtzigerjahren besteht. Mit dem Unternehmen verbinde More Secure eine "Partnerschaft". Ob diese auch rechtlicher Natur ist, erwähnt Heathfield nicht. Die "Eigentümer von Shield UK" hätten mit More Secure eine "Vereinbarung" getroffen, beim "Rebranding der Firma" sowie der "Etablierung besserer interner Strukturen" behilflich zu sein. Etwa bei der Wächter-Ausbildung. In Zukunft wolle man so bessere Leistungen für seine Kunden anbieten.

CEO des europäischen Partners ist Adil Abdel-Hadi, ein Unternehmer sudanesischer Herkunft. In Großbritannien hat er sich in Sicherheitskreisen einen Namen gemacht: Fotos, die auf einer seiner vielen Firmenwebsites zu sehen sind, zeigen Abdel-Hadi vor Scotland Yard, einer Ausbildungsstätte der London Metropolitan Police und im House of Lords, anlässlich eines Events für Sicherheitsexperten. Auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten, wo Abdel-Hadi die Ausbildung der Polizei von Dubai betreut, ist der Geschäftsmann bestens vernetzt. Als zweiter stellvertretender Vorsitzender des Berufsverbands für Sicherheitsexperten ist er an die offizielle Regulierungsbehörde für die Sicherheitsindustrie (SIRA) angegliedert. Es sind Verbindungen, die in der internationalen Gemeinschaft im Sudan offenbar gut ankommen.

Mitte 2021, als das Schreiben über die anstehenden Veränderungen eintrifft, ist die Lage im Land bereits angespannt: Trotz des Sturzes von Langzeitdiktator Omar al-Baschir im April 2019 halten die Proteste an. Viele Revolutionäre, die den Massenprotest gegen al-Baschirs islamistisches Regime organisiert hatten, fordern einen raschen demokratischen Wandel. Sie sind wütend auf den Souveränen Rat, ein Gremium, das die Rolle eines kollektiven Staatsoberhauptes ausübt. Denn dessen ziviler Flügel hat einem Macht-Deal mit den Generälen zugestimmt: Vorsitzender des Rates ist Militär-Chef Abdel Fattah Burhan. Hemedti, dessen Miliz Aktivisten und Menschenrechtsorganisationen vorwerfen, bei der gewaltsamen Auflösung eines Sit-ins von Revolutionären im Juni 2019 mit mehr als 100 Toten das Feuer eröffnet zu haben, ist sein Stellvertreter.

Dem Souveränen Rat untersteht eine Übergangsregierung. Doch die Konstruktion ist wackelig. Seit jeher gibt es zum Beispiel Rivalitäten zwischen der Armee und der RSF, was die Stabilität aushöhlt. Dazu hatte al-Baschir selbst beigetragen: 2013 rekrutierte er die RSF aus arabischstämmigen Dschandschawid-Kämpfern, die sich zuvor bei der blutigen Niederschlagung von Aufständischen im Darfur-Konflikt bewährt hatten. Laut Menschenrechtsorganisationen verübten sie massive Gräueltaten an der Zivilbevölkerung.

Al-Baschir baute die RSF als ein Gegengewicht zum Militär auf. Die Miliz unterstand dem Diktator persönlich. Er machte die RSF zu seinen Grenzschützern und stationierte sie an der Grenze zu Libyen und Ägypten. Mehrfach behauptete RSF-Chef Hemedti öffentlich, dass seine Truppe Flüchtlinge aufhalte und dafür Geld aus Europa einstreiche. Brüssel dementierte. Tatsächlich spielte die RSF ein doppeltes Spiel und verdiente am Menschenschmuggel mit. Und indem sie Tausende Kämpfer als Söldner im Jemenkrieg und in Libyen kämpfen ließ.

Geld generiert die RSF aber auch aus ihrer Schattenwirtschaft. Wie das Militär ist die Miliz in Sudans Goldgeschäft eingestiegen. Mit Al-Junaid und GSK besitzt die RSF zwei große Holding-Gruppen, deren Firmen vom Goldhandel, über das Bauwesen bis zum IT-Sektor ein weites Spektrum abdecken. Die USA und Großbritannien setzten beide Holdings jüngst auf ihre Sanktionslisten. Auch in der Landwirtschaft, im Handel oder im Tourismus-Sektor ist die RSF vertreten, darauf deutete zuletzt auch ein Leak der Sudanesischen Zentralbank hin. "All diese Firmen bedingen sich gegenseitig", sagt Experte Suliman Baldo vom International Center for Transitional Justice in New York. Sie schusterten sich Aufträge zu, bedienten als private Unternehmen aber auch Dritte.

Für den langjährigen Sudan-Forscher Alex De Waal von der Tufts University sind diese Firmen in zweierlei Hinsicht entscheidend: "Erstens für den Cashflow. Und zweitens für Hemedti, um sich als Mainstream-Politiker zu profilieren. Denn im Sudan sind alle etablierten Politiker mit Macht auch Unternehmer." Auffällig daran sind die Führungsetagen der Firmen. Hemedti setzt dort, ähnlich der "Mafia", wie De Waal es formuliert, vor allem seine Verwandten und Getreuen ein. So wie im Fall der "Sicherheitsfirma Shield Protective Solutions".

Laut dem offiziellen Eintrag im sudanesischen Firmenregister, das die amerikanische NGO Center for Advanced Defense Studies (C4ADS) erhalten und exklusiv mit ZEIT ONLINE und ihren Partnern geteilt hat, ist der Inhaber der Firma Musa Hamdan Daglo, ein jüngerer Bruder Hemedtis. Im Gegensatz zu seinen anderen Brüdern Algony oder Abdelrahim Hamdan Daglo, der mittlerweile ebenfalls auf der US-Sanktionsliste steht, war über Musa Hamdan Daglo bislang wenig bekannt. Im Firmenregister wird er auch als Mitgründer von Shield Protective Solutions geführt und besitzt mit 49,9 Prozent die zweithöchsten Anteile. Der Rest gehört Mustafa Ibrahim Abdel Nabi.

So wie Musa Hamdan Daglo ist auch Abdel Nabi in andere Geschäfte des RSF-Netzwerks involviert. "Abdel Nabi ist so etwas wie der Finanzverwalter der RSF", sagt Quscondy Abdulshafi, Afrika-Chefberater der Menschenrechtsorganisation Freedom House. Abdel Nabi gehöre zum engen Kreis, er stehe RSF-Boss Hemedti sehr nahe.

Zudem sitzt Abdel Nabi im Vorstand von Al Khaleej, einer Bank mit Angliederung an den internationalen Finanzsektor. Die meisten Anteile an Al Khaleej sind wiederum im Besitz von RSF-Firmen, zweitgrößter Anteilseigner ist Shield Protective Solutions. Den Bogen nach Großbritannien spannt Shield-CEO Abdel-Hadi: Er ist einer von fünf Vorständen von Shield Protective Solutions, zu denen neben ihm und Hemedti-Bruder Musa Hamdan Daglo auch ein früherer Mitarbeiter und Wegbegleiter Abdel-Hadis in Großbritannien und Dubai gehört. Bei Shield Protective Solutions wird dieser zu einem Trainingsleiter für die Wächter. Ein weitverzweigtes Netzwerk entsteht.

II – Die Auftraggeber

Ob bereits More Secure zum RSF-Firmenimperium gehörte, wie etwa der im Sudan bekannte investigative Blog Al-B3shom 2019 berichtete, konnte ZEIT ONLINE nicht abschließend klären. Unstrittig ist aber, dass die Sicherheitsfirma als Shield Protective Solutions an Einfluss gewinnt. Die guten Englischkenntnisse des größtenteils neuen Managements machen Eindruck bei europäischen Botschaften und Entwicklungsorganisationen. Auch der Verweis auf die Partnerschaft mit einem britischen Unternehmen, das seine Wächter in dieselben blauen Uniformen mit dem gleichen römischen Helm als Logo kleidet. Davon berichten ZEIT ONLINE mehrere Quellen, die anonym bleiben möchten.

In einem Newsletter, der ab Anfang 2022 zum neuen, professionellen Auftreten von Shield Protective Solutions gehört, bezeichnet sich das Unternehmen als "Teil von Shield Security Services Ltd". Wieder bleibt die genaue rechtliche und geschäftliche Verbindung beider Firmen unklar. Dafür erfahren die Leser von Ted Heathfields Reisen, der sich in verschiedenen Landesteilen über die Zufriedenheit der Auftraggeber informiere. Auch andere Mitglieder des Managements sind unterwegs – etwa in den Emiraten, wo sie wie die Kundenbetreuerin Marwa Abbas ein Training bei der Regulierungsbehörde SIRA erhalten. Auf einem der beigefügten Bilder zu diesem Besuch ist Shield-CEO Adil Abdel-Hadi zu erkennen.

Als neue Auftraggeber, auch das erfährt man, kann Shield Protective Solutions unter anderem die britische Hilfsorganisation Saferworld gewinnen. Und das nach dem früheren US-Präsidenten benannte Carter Center, das auf ZEIT-Anfrage nicht reagierte.

Zuvor war der Markt privater Sicherheitsunternehmen im Sudan vorwiegend vom Militär bestimmt. Ihre Verbindungen zur RSF spricht die Firma zumindest im Newsletter nicht aus. Doch es gibt Hinweise. In einer Ausgabe zählt Shield etwa die RSF-Holding Al-Junaid als Kunden auf, in einem Mailverlauf mit der schwedischen Botschaft vom August 2021 über eine ausstehende Zahlung steht ein gewisser "Musa Hamdan" im cc. Dies lässt die Vermutung zu, dass Hemedti-Bruder Musa Hamdan Daglo nicht nur auf dem Papier, sondern zumindest in Teilen auch an der Geschäftsabwicklung beteiligt war.

Zeitnah zu den Newslettern beauftragt eine westliche NGO einen Sicherheitsberater, der hier Philipp Smith heißen soll. Die NGO sucht eine Firma zum Schutz ihres Gebäudes, Shield ist ein möglicher Kandidat. In einer sogenannten Due-Diligence-Prüfung soll sich Smith die Firma genauer anschauen. Der Zeitpunkt ist heikel: Im Oktober 2021 hat das Militär mithilfe der RSF geputscht und die Macht an sich gerissen. Ein demokratischer Wandel, auf den man auch im Westen gehofft hatte, scheint nun in weite Ferne gerückt zu sein.

Smith besucht das professionell anmutende Büro von Shield in Khartum – und ist misstrauisch: "Ich habe jahrelange Erfahrung. Wenn plötzlich etwas aufploppt und super aussieht, werde ich nervös", sagt er ZEIT ONLINE. Er beginnt, Nachforschungen anzustellen. Dass ein Bruder des RSF-Chefs Inhaber der Firma ist, findet Smith damals nicht heraus. Doch eines Tages hätten ihm NGO-Mitarbeiter erzählt, sie seien eben an Shields Hauptquartier vorbeigekommen. Davor hätten mehrere RSF-Fahrzeuge mit schweren Waffen geparkt. Ein ranghoher Kommandeur sei ausgestiegen und von Mitarbeitern der Firma empfangen worden. Um wen es sich gehandelt haben könnte, bleibt unklar. Von der Beauftragung der Firma rät Smith der NGO ab.

Auch die Vereinten Nationen und zu ihnen gehörende Organisationen wie das UNHCR, die laut Shield-Newsletter vom Juni 2022 das Firmen-Hauptquartier besuchen, entscheiden sich laut ihrer Antworten auf ZEIT-Anfrage gegen das Unternehmen. Ob dies wegen der RSF-Verbindung geschah, lässt die UN allerdings offen.

III – "Wir schützen Ihren Ruf"

Andere Institutionen hingegen finden in Shield die Sicherheitsfirma ihres Vertrauens: Im Sommer 2022 lässt Shield der Schweizer Botschaft eine Broschüre zukommen – "safeguarding your reputation and much more", wirbt die Firma: "Wir schützen Ihren Ruf und vieles mehr." Das Werbematerial ist aufschlussreich, denn Shield listet darin Auftraggeber auf.

Neben dem Wohnkomplex der deutschen sowie der schwedischen und norwegischen Botschaft stehen auch die französische, die niederländische und die kanadische Vertretung auf dieser Liste. Das französische Außenministerium erklärte, es sei "außer Stande", Fragen dazu zu beantworten. Die übrigen Geschäftsbeziehungen konnte ZEIT ONLINE verifizieren. Dazu zählen auch jene mit den US-Organisationen NDI und IFES, die Shield laut Liste zu seinen Kunden zählt.

Die russische und die türkische Botschaft, zahlreiche Supermärkte, Banken und die RSF-Firmen Al-Junaid Mining sowie GSK Construction werden ebenfalls genannt.

In der Broschüre heißt es weiter, die Firma habe neben dem Office in Khartum in zwei anderen Landesteilen Dependancen eröffnet. Ein firmeneigenes Funksystem könne 65 Prozent des Landes abdecken. Außerdem müsse das Management zur Weiterbildung nicht mehr nach Dubai reisen – mit SIRA gebe es nun einen Vertrag für Schulungen im Sudan. Insgesamt, schreibt Shield, habe die Firma mehr als 78 Auftraggeber an über 130 Standorten im Sudan und mehr als 1000 Angestellte.

Mit einigen dieser Angestellten konnte ZEIT ONLINE in Kontakt treten. Auch sie bleiben zu ihrem Schutz in diesem Text anonym. Nicht alle hätten zu Beginn ihrer Zeit bei Shield von der Verbindung zur RSF gewusst. Ein Wächter sagt hingegen, dass er einen Auftraggeber von Shield – eine europäische Botschaft, deren Namen ZEIT ONLINE bekannt ist – sogar vor der Firma gewarnt habe. Auch einige Mitarbeiter von europäischen Institutionen im Sudan sagen, dass sie die Befürchtung, mit der Beauftragung von Shield eine Miliz mitzufinanzieren, gegenüber ihren Institutionen geteilt hätten.

Inwieweit Shield ihren Auftraggebern die persönlichen Beziehungen zur RSF-Spitze auf offiziellem Wege kommuniziert – Shield Protective Solutions lässt das unbeantwortet. Auf wiederholte schriftliche Bitten um Stellungnahme von ZEIT ONLINE reagiert das Unternehmen nicht. Ebenso wenig sein Partner in Großbritannien oder Shield-CEO Adil Abdel-Hadi.

Die meisten westlichen Auftraggeber geben gegenüber ZEIT ONLINE an, von der RSF-Verbindung nichts gewusst zu haben, oder sie äußern sich nicht zu der Frage. Diejenigen hingegen, die von der Verflechtung wussten, reagierten unterschiedlich: Saferworld teilt etwa mit, dass das nachträgliche Wissen um die Verbindung dazu geführt habe, den Vertrag mit Shield im März 2023 auslaufen zu lassen. Die norwegische Botschaft ist laut dem Außenministerium in Oslo im Sommer 2022 über die Hintergründe der Firma informiert worden. Man habe daraufhin "mit Botschaften in derselben Situation" Gespräche geführt. Konsequenzen hatte das jedoch nicht, die Firma war demnach noch bis zu den Evakuierungen für die Norweger im Dienst.

Auch das Schweizer Außenministerium teilt mit, dass Shields "Eigentumsverhältnisse" der Botschaft bekannt gewesen seien. Trotzdem bewachten ab Februar 2023 acht Wächter der Firma zunächst ein und dann zwei Diensthäuser. Das Wachpersonal, das die Schweiz vorwiegend aus lokalem Personal direkt bei der Botschaft angestellt habe, sei zum Teil in Rente gegangen. Man habe deshalb Unterstützung von Shield gebraucht.

Dabei wurde 2010 maßgeblich auf Schweizer Initiative hin die Charta der internationalen Vereinigung ICoCA aufgesetzt, mit deren Unterzeichnung sich Mitglieder zur Einhaltung hoher Standards bei der Einstellung von privaten Sicherheitsfirmen verpflichteten. Neben Staaten können auch Firmen Mitglieder der ICoCA werden, sofern sie eine gründliche Prüfung bestehen. Shield hat sich laut Auskunft der ICoCA bislang nicht um eine Mitgliedschaft beworben. Im Sudan listet die ICoCA nur ein Unternehmen – das aber anscheinend weder die Schweiz noch die anderen ICoCA-Mitgliedsstaaten Schweden, die Niederlande, Kanada und Norwegen beauftragen, die das auf ZEIT-Nachfrage entweder bestätigen oder gar nicht beantworten.  

Stattdessen überweisen Shields Auftraggeber also regelmäßig Geld auf verschiedene Konten im Sudan: Mindestens 1,6 Millionen Euro haben europäische Auslandsvertretungen bis Mai 2023 bezahlt. Allerdings liegen ZEIT ONLINE zu den meisten Botschaften keine Beträge vor:

Bei der Schweiz, die Shield bis zum Ausbruch der Kämpfe im April beschäftigte und danach den Vertrag wegen der Verbindung zu einem Kriegsakteur beendete, waren es rund 13.400 Euro. Ein geringer Betrag im Vergleich zur norwegischen Botschaft, die 825.000 Euro an Shield und den Vorgänger More Secure überwies. Auch die Deutsche Botschaft beendete ihre Zahlungen bei Kriegsausbruch. Shield sei nicht mehr für die Botschaft tätig, schreibt das Auswärtige Amt. Die Frage, wie viel Geld man der Firma und ihrer Vorgängerin seit Ende 2020 überwiesen hat, wird ZEIT ONLINE nicht beantwortet. Auch nicht, ob die Verbindung zur RSF bekannt war. Zur Begründung erklärt das Auswärtige Amt, ein Großteil des Aktenbestands sei bei der Evakuierung zurückgelassen worden. Schweden überweist insgesamt rund 780.000 Euro – allerdings bewachen die blau uniformierten Shield-Wächter die Botschaft im Sudan noch immer.

IV – Bis zur letzten Bastion

Denn der Kriegsausbruch bedeutet nicht für alle Auftraggeber das Ende ihrer Geschäftsbeziehung mit Shield. Die Hilfsorganisation Save The Children etwa teilte auf Nachfrage mit, dass man aufgrund dieser Recherche gerade daran arbeite, die Zusammenarbeit mit Shield zu beenden. Auch die deutsche Entwicklungsorganisation GIZ beschäftigt Shield über den April hinaus: Seit Februar bewachte Shield GIZ-Projekte im ganzen Land, nachdem Ende 2021 bereits ein Rahmenvertrag für die Bereitstellung von "cleveren, intelligenten und tatkräftigen" Wächtern geschlossen worden war.

Die GIZ wird vor allem vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziert. Zwei Projekte, darunter eines in der Konfliktregion Darfur, bekommen anteilig mit insgesamt rund 22 Millionen Euro aber auch Geld von der EU.

In der Vergangenheit gab es schon einmal Kritik an einem von der EU kofinanzierten Projekt der GIZ zum sogenannten Migrationsmanagement wegen einer mutmaßlichen finanziellen Unterstützung der RSF. Damals antwortete die EU-Kommission 2017, die Miliz weder "direkt oder indirekt" zu unterstützen, weder für das betreffende Projekt noch für ein anderes "gegenwärtiges oder zukünftiges EU-finanziertes Projekt".

Auf Anfrage erklärt die Kommission nun, dass die EU keine Verträge mit der RSF unterzeichnet habe, Vorwürfe über Verbindungen zur RSF nehme man "sehr ernst". Weiter heißt es gegenüber ZEIT ONLINE, dass die EU an Dienstleistungsverträgen für von ihr finanzierte Projekte nicht beteiligt sei. Man verweise an den Durchführungspartner – in diesem Fall die GIZ.

ZEIT ONLINE liegt ein Mailverkehr zwischen Shield und der GIZ aus den letzten Monaten vor. Demnach stoppte Shield im April die Überwachung an sechs von acht Einsatzorten für die GIZ. Ein Büro in Darfur wurde noch bis Ende Mai bewacht. Das letzte verbliebene, in der von Kampfhandlungen bisher verschont gebliebenen Stadt Gadaref, sogar noch bis Anfang September.

Der Kündigung der Verträge vorausgegangen sei laut Antwort der GIZ auf eine ZEIT-Anfrage eine Mitteilung der sudanesischen Behörden, die Shield mit der RSF in Verbindung brachte. Diese Informationen würden eine weitere Zusammenarbeit "unmöglich" machen, schreibt die GIZ dazu laut Mailverlauf an Shield und kündigt das Vertragsverhältnis. Frühere Hinweise auf eine RSF-Verbindung hätten der GIZ nicht vorgelegen, heißt es auf ZEIT-Nachfrage. Anhand von Listen, die im Anschluss an die Behörden-Mitteilung in den sozialen Netzwerken zirkulierten, rief auch die sudanesische Zentralbank Geldinstitute im Land auf, die Konten von Dutzenden RSF-Firmen einzufrieren. Darunter: Shield Protective Solutions.

Auf die Frage, wie viel Geld seit Vertragsabschluss an Shield geflossen ist, antwortet die GIZ zunächst: "Da Shield noch nicht die notwendigen Rechnungsunterlagen eingereicht hat, sind noch keine Zahlungen erfolgt." ZEIT ONLINE liegen neben dem Mailverkehr allerdings auch Rechnungen von Shield an die GIZ vor. Für Dienstleistungen von Februar bis April veranschlagt Shield demnach rund 50.000 Euro, in einer E-Mail vom 11. September schreibt die Firma, Rechnungen von Mai bis September werde man bald nachreichen.

Auf eine weitere Nachfrage bleibt die GIZ dabei, bislang keine Zahlungen an Shield getätigt zu haben. Die von der Firma eingereichten Rechnungsunterlagen würden nicht den "notwendigen kaufmännischen und steuerlichen Anforderungen" entsprechen. Momentan werde juristisch geprüft, ob die GIZ die Rechnungen mit Shield noch begleichen muss. 

V – Prolog: What comes around goes around

Neben Bitten um schriftliche Stellungnahmen hat ZEIT ONLINE auch mündlich versucht, mit Shield Protective Solutions in Kontakt zu treten. Der für die Umstrukturierung verantwortliche Ted Heathfield sagt am Telefon, er sei längst nicht mehr für Shield tätig und die Firma nicht mehr aktiv. Zur RSF-Verbindung wolle er sich nicht äußern. Auf LinkedIn gibt Healthfield an, nur bis Anfang 2022 Geschäftsführer von Shield Protective Solutions gewesen zu sein. Demnach ist er jedoch noch immer der "Regionale Afrika-Direktor" für die britische Firma Shield Security Services.

Auskunftsfreundlicher ist ein Mitglied des Managements von Shield im Sudan: Ja, sagt er, "Mr. Musa", Hemedti-Bruder Musa Hamdan Daglo, sei der Inhaber der Firma. Shield würde "leider" zur RSF gehören. Für alles Weitere solle man mit der Kundenbetreuerin Marwa Abbas sprechen, die sich allerdings nach einer ersten Kontaktaufnahme nicht mehr melden wird.

Auch in Großbritannien bei Shield Security Services will man nicht auf die Fragen von ZEIT ONLINE eingehen. Bei einem Anruf in der Firmenzentrale heißt es, man werde "keinen Kommentar" abgeben.

Mitte August hatte Shield im Sudan noch an die schwedische Botschaft geschrieben, dass man wegen anhaltender Bankenprobleme zu klären versuche, ob Zahlungen nicht auch via Shield Security Services in Großbritannien laufen können. Eine "offizielle Partnerschaft" gebe es zwischen beiden Firmen nicht, hieß es damals. Aber eine "langjährige und positive Zusammenarbeit". Das Unternehmen in der Nähe von London habe "freundlicherweise seine Unterstützung angeboten, die Zahlungen in unserem Namen zu ermöglichen". Die schwedische Botschaft antwortete darauf Ende August, Shield Protective Solutions soll die Kontoangaben der britischen Firma schicken. Bislang, teilt das schwedische Außenministerium in Stockholm ZEIT ONLINE mit, habe man kein Geld nach Großbritannien überwiesen.

Mitarbeit: Or Goldenberg, Johan Persson, Anina Ritscher, Anna Roxvall, Maren Saeboe, Fabrian Urech, Giacomo Zandonini

Diese Recherche wurde finanziell von Journalismfund Europe unterstützt. Die Stipendiengeber hatten keinen Einfluss auf Verlauf und Ergebnis der Recherche oder auf die redaktionelle Betreuung, Bearbeitung und Umsetzung des Themas.